Zur Revision des Jagdgesetzes

Im Tierpark Langenberg können Wölfe beobachtet werden.

18. August 2020 – Am 27. September 2020 stimmen die Schweizer Stimmberechtigten über die Revision des Bundesgesetzes über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel ab. Zur Abstimmung kommt es, weil die Naturschutzorganisationen das Referendum ergriffen haben. In kürzester Zeit sammelten sie genügend Unterschriften. In den ersten sieben Wochen kamen bereits über 70’000 Unterschriften zusammen. Am Schluss waren es sogar 100’000. Ist die Sache als bereits gelaufen?

Verschiedene Vorstösse im Parlament, vor allem aus dem Wallis, führten zur Revision des Jagdgesetzes. Einen ersten Erfolg erzielte die 2010 von CVP-Ständerat Jean-René Fournier eingereichte Motion, die einen Vorbehalt beim strengen Wolfsschutz des Übereinkommens über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume (Berner Konvention) forderte. Falls dies nicht möglich sei, so solle die 1980 von der Schweiz ratifizierte Berner Konvention gekündigt werden und bei einer erneuten Ratifikation ein Vorbehalt zum Wolfsschutz eingebracht werden. Obwohl das Parlament der Motion «Fournier» zugestimmt hatte, lehnte der Bundesrat dieses Vorgehen stets ab.

Erst die vom Bündner Ständerat Stefan Engler im März 2014 lancierte Motion «Zusammenleben von Wolf und Bergbevölkerung» brachte wieder Bewegung in das emotionale Geschäft. Der entscheidende Punkt: Engler wollte eine Lösung im Rahmen der Berner Konvention erreichen, wie es auch der Bundesrat anstrebte. Der Prozess zur Anpassung des Jagdgesetzes startete, die parlamentarischen Mühlen begannen zu mahlen.

Auslöser und Ausgangspunkt der Revision war der Umgang mit dem Wolf. Leider packten der Bundesrat und vor allem das Parlament zu viel in die Vorlage. Weil sich National- und Ständerat nicht in allen Punkten einigen konnten, musste eine Einigungskonferenz den gordischen Knoten durchschlagen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Naturschutzorganisationen längst nicht mehr an Bord. Sie sprachen nur noch von einem «Abschuss-Gesetz», weil Wölfe abgeschossen werden können, ohne einen wirklichen Schaden bei Nutztieren angerichtet zu haben. Zudem warnten sie, der Bundesrat könne weitere im Gesetz geschützte Arten wie Luchs oder Biber in eigener Regie als «regulierbar» erklären. Deshalb sei das missratene Gesetz abzulehnen (vgl. Foto Abstimmungsplakat beim Bahnhof Bülach, Foto Abstimmungsplakat des Schweizer Tierschutzes in Zürich Seebach).

Auch die Förster haben ihre liebe Mühe mit der Vorlage. Der Schweizerische Forstverein (SFV) forderte stets, beim Management von Grossraubtieren sei der Zustand der Waldverjüngung als zentrale Entscheidungsgrundlage immer mit zu berücksichtigen. Die Lockerungen zur Bestandregulierungen von Grossraubtieren unter kantonaler Entscheidungskompetenz lehnt der SFV kategorisch ab. Eine Umfrage bei den Mitgliedern des SFV untermauert diese Haltung. Eine Befragung von Graubünden Wald unter den Bündner Förster ergab allerdings eine leichte Mehrheit für das revidierte Jagdgesetz; der Rücklauf war allerdings nicht gewaltig. WaldSchweiz, der Verband der Waldeigentümer, übt sich in Zurückhaltung.

Das Wolfsgehege im Tierpark Langenberg.

Und was, wenn Wölfe sich frei bewegen?

Die Jägerschaft scheint eher für die Revision einzustehen. Aber es gibt auch abweichende Stimmen. Die kantonalen Jagdverwaltungen halten sich in ihren Äusserungen naturgemäss zurück. Zwischen allen Fronten stehend, wären sie über einen etwas grösseren Spielraum jedoch bestimmt froh. Die Konferenz für Wald, Wildtiere und Landschaft der Kantone ist offiziell für die Revision. Sie kam zum Schluss, die Anpassungen seien mehrheitlich positiv.

Eine umfassende Beurteilung mit den positiven und negativen Aspekten der Revision hat die Schweizerische Gesellschaft für Wildtierbiologie (SGW) vorgenommen – ohne aber abschliessend Stellung für ein Ja oder Nein zu beziehen. Sie ist der Meinung, dass die Regulierung bundesrechtlich geschützter Arten weiterhin der Zustimmung des Bundes bedarf. Mit der Regulierung gewisser geschützter Arten ist sie einverstanden. Dass nicht zwingend ein Schaden vorliegen muss, sieht die SGW hingegen kritisch. In Anbetracht der momentanen Populationsentwicklung beim Wolf ist man der Meinung, dass auch mit einer Regulierung gemäss der vorgeschlagenen Jagdgesetzgebung, der Wolf nicht mehr ausgerottet werden kann und auch die genetische Vielfalt der Wolfspopulationen gesichert ist. Im Gesetz sei verankert, dass die Eingriffe die Population und damit den Artenschutz nicht gefährden dürfen. Der Vorschlag des Parlaments führe aber zu einer Verlangsamung der Ausbreitung der Bestände.

Die ursprünglich auf den 17. Mai 2020 angesetzte Abstimmung ist wegen des Coronavirus auf den 27. September 2020 verschoben worden. Die Vernehmlassung zur zugehörigen Verordnung mit den Ausführungsbestimmungen läuft bereits und wird noch vor der Abstimmung abgeschlossen. Die Verordnung tritt aber nur in Kraft, wenn das Gesetz angenommen wird. Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation schreibt, es sei ihm ein Anliegen, soweit wie möglich Klarheit bezüglich der konkreten Umsetzung des Gesetzes zu schaffen.

Die Jagdgesetzrevision führte im Parlament zu einem zähen Ringen. Die Vorlage ist kein grosser Wurf und hat auch Mängel. Es gibt gute Gründe, sie abzulehnen. Aber sie ist eindeutig besser als ihr Ruf. Ob nach einer Ablehnung rasch eine bessere Vorlage kommt, die den berechtigten Anliegen der Bergbevölkerung Rechnung trägt, ist mehr als fraglich. Die Kollateralschäden einer Ablehnung dürften nicht unerheblich sein. Deshalb gibt es auch gute Gründe, der Revision des Jagdgesetzes zuzustimmen.

Die Wölfe, die seit einigen Jahren in der Schweiz wieder Fuss zu fassen versuchen, haben ein Lebensrecht. Sorge tragen sollten wir auch den Bauern, die noch bereit sind, Schaf- und Ziegenhaltung sowie eine traditionelle Nutzung der Alpweiden zu betreiben. In früheren Jahrhunderten konnte der Einfall von Wölfen existenzielle Folgen für die auf Viehzucht ausgerichtete Bergbevölkerung zeitigen. Heute ist diese Abhängigkeit nicht mehr derart gross, und der Staat leistet finanzielle Unterstützung bei Wolfsrissen. Zentral ist es, dass Wölfe die natürliche Scheu gegenüber dem Menschen beibehalten. Auf diesen wichtigen Punkt wies Reinhard Schnidrig, der Leiter der Sektion Wildtiere und Artenförderung beim Bundesamt für Umwelt in einem Interview hin. Gelingt dies, so hat die Schweiz eigentlich gute Voraussetzungen, damit eine Koexistenz mit dem Wolf künftig möglich wird. Packen wir die Chance und wirken wir auf ein für alle faires System hin, mit dem alle gut leben können.

 

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NZZ – 26. Februar 2016 – Luchs und Wolf als Forstgehilfen

 

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