Das Jagdgesetz ist gescheitert – doch der Erfolg ist teuer erkauft

28. September 2020 – Die Naturschutzorganisation haben die Revision des Jagdgesetzes bekämpft. Und sie haben einen Sieg errungen. Bei der Beratung der Vorlage glänzte das Parlament nicht. Man einigte sich erst nach langem Hin und Her. Die Vorlage bot (zu) viele Angriffspunkte, und die Gegner nutzen dies geschickt aus – teils mit ziemlich zweifelhaften Methoden und Behauptungen. Die Abstimmungskampagne mit den Plakaten hinterlässt einen schalen Nachgeschmack. Da wurde mit Bildern und Botschaften operiert, den man vom Stil her sonst von einer gewissen Partei kennt. Bundesrat, Parlament, Kantone sowie die Jägerschaft sind mit der simplifizierenden Bezeichnung der Vorlage als «Abschussgesetz» auf unfaire und fahrlässige Weise vor den Kopf gestossen worden. Der Zweck heiligte offenbar die Mittel. Das Gesetz musste – koste es, was es wolle – einfach gebodigt werden.

Der Preis dafür ist jedoch hoch. Die Abstimmung ist nur dank den Stimmen der Städterinnen und Städter gewonnen worden. In den Berggebieten fiel das Votum diametral anders aus. Das stimmt nachdenklich und ist mehr als nur ein Schönheitsfehler. Der Graben ist tief. Die Nebenwirkungen des Abstimmungserfolgs werden sich erst in den nächsten Jahren zeigen. Nach der millionenschweren Kampagne müsste nun eigentlich ähnlich viel Geld in das Zuschütten der Gräben und den Aufbau des Vertrauens investiert werden. Die Gewinner zeigen zwar Verständnis für die Bewohner des Berggebiets. Sie wollen das Gespräch suchen und betonen auch, man sei zu Kompromissen bei der Regulierung der Wölfe bereit. Gleichzeitig wird aber klar, dass die Neuauflage des Gesetzes ganz nach ihrem Gusto sein muss (Pro Natura, BirdLife).

Wie viel nun für den Artenschutz und die Biodiversität gewonnen ist beziehungsweise wie viel an angeblicher negativer Entwicklung verhindert werden kann, ist schwer zu ermitteln. Ich wage zu behaupten, nicht wirklich viel. Was ist gesamthaft betrachtet entscheidend für die Artenvielfalt und Biodiversität? Ist es der Wolf, der nun erfolgreich Rudel bildet? Ist es der vor 50 Jahren wieder angesiedelte Luchs? Oder der Biber? Letzterer vermehrt sich so erfolgreich, dass man sich überlegt, seinen Schutzstatus in der Roten Liste zurückzustufen. Ist es das Schneehuhn, der Feldhase oder die Waldschnepfe?

Obwohl der Umgang mit dem Wolf der Auslöser für die Revision war, wurden die anderen Arten im Abstimmungskampf zum grossen Thema. Diese müssten besser geschützt werden, hiess es. Ein Blick ins Gesetz zeigt jedoch, dass wenn ein ungenügender Schutz der jagdbaren Arten besteht, dies primär ein Problem des Vollzugs ist. Das derzeit gültige Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel hält in Artikel 5 über die jagdbaren Arten und Schonzeiten fest, dass die Kantone die Schonzeiten verlängern oder die Liste der jagdbaren Arten einschränken können und sie sogar dazu verpflichtet sind, wenn der Schutz örtlich bedrohter Arten dies erfordert (Absatz 4). Der Bundesrat kann zudem (nach Anhören) der Kantone die Liste der jagdbaren Arten gesamtschweizerisch beschränken, wenn es zur Erhaltung bedrohter Arten notwendig ist (Absatz 6). Die Revision hätte daran nichts geändert. Wenn das Gesetz in diesen Punkten nicht umgesetzt wird, dann ist dies eben einzufordern. Das hat aber eigentlich nichts mit den Themen zu tun, über die wir abgestimmt haben.

Besonders nachdenklich stimmt folgender Punkt: Warum nur sind die Hauptbeteiligten nicht in der Lage, über diese Themen konstruktiver zu diskutieren und auf die wirklich wesentlichen Punkte zu fokussieren? Damit meine ich primär die Diskussionen zwischen Naturschutz, Wildtierbiologie, Jägerschaft und Landnutzern (Forst-, Land- und Alpwirtschaft). Auch wenn naturgemäss Unterschiede bestehen, müssen doch diese Gruppen zusammenarbeiten, um ihre Ziele erreichen zu können. Will der Naturschutz auf der Fläche etwas bewegen, müssen auch die Landnutzer mitziehen. Auf längere Sicht kann es nicht funktionieren, sich für eine umfassende Biodiversität in der Kulturlandschaft zu engagieren, wenn gleichzeitig die Zusammenarbeit mit den Landnutzern aufs Spiel gesetzt wird.

Wichtig ist die Frage, was für bedrohte Arten und ihr Überleben wirklich matchentscheidend ist. Wo finden bei der Artenvielfalt die entscheidenden Veränderungen statt? Was führt letztlich zum Biodiversitätsverlust? Wer kann was, wo und wie beeinflussen? Wer wirklich Verbesserungen erzielen will, muss sich mit diesen Fragen vertieft und ehrlich auseinandersetzen. Diese Chance aber ist kolossal verpasst worden.

 

Zur Revision des Jagdgesetzes

 

Weitere Geschichten und Beobachtungen