Wie Ökosysteme beim Klimaschutz helfen können

Der Plenterwald von Couvet produziert Holz und speichert gleichzeitig viel Kohlenstoff.

25. Januar 2018 – Sollen die im Pariser Klimaabkommen 2015 gesetzten Ziele erreicht werden, sind alle (kostengünstigen) Möglichkeiten auszuschöpfen. Von Bedeutung ist dabei auch die vermehrte Speicherung von Kohlenstoff in den Landökosystemen. Hier spielen Pflanzen und der Boden eine zentrale Rolle. Über die Fotosynthese nehmen Pflanzen CO2 aus der Atmosphäre auf und speichern dieses in Form von Kohlenstoff in der Biomasse – oder es entweichen eben grosse Mengen CO2 und andere Treibhausgase in die Atmosphäre und heizen den Treibhauseffekt zusätzlich an. Die Art und Weise der Landnutzung ist somit eine der Stellschrauben im Kampf gegen die globale Erwärmung.

An der Klimakonferenz lancierte Frankreich die sogenannte «4 Promille»-Initiative. Gelänge es, jedes Jahr 4 Promille mehr Kohlenstoff in den weltweiten Böden zu speichern, liessen sich die globalen Treibhausgas­emissionen kompensieren.

Dasselbe gilt für Wälder und Weiden. Ein Forscherteam zeigte kürzlich auf, dass die Pflanzen in den Landökosystemen der Erde aktuell 450 Milliarden Tonnen Kohlenstoff speichern. Theoretisch wäre rund das Doppelte möglich. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil der Mensch die Ökosysteme zur Erzeugung von Nahrungsmitteln und Gewinnung von Holz nutzt. Die verringerte Speicherung wird laut den Autoren der Studie zum einen durch die Abholzung von Wäldern verursacht. Ein fast ebenso grosser Effekt resultiert zum anderen aber aus der Wald- und Weidenutzung, wobei zwei Drittel auf die Forstwirtschaft entfallen.

Dass die forstwirtschaftliche Nutzung in den vergangenen Jahrhunderten die Kohlenstoff­speicherung im Vergleich zum ursprünglichen Wald reduzierte, ist unbestritten. Die verbliebenen Urwälder sind deshalb prioritär zu schützen. Werden diese zerstört, entweicht in kurzer Zeit sehr viel Kohlenstoff, der sich über Jahrhunderte allmählich anreicherte.

Nachhaltig produziertes Holz verbessert die Klimabilanz.

In bewirtschafteten Wäldern präsentiert sich bezüglich des in den Bäumen gespeicherten Kohlenstoffs und der Klimaschutzeffekte eine sehr grosse Bandbreite. Plantagenwälder mit kurzen Produktionszeiten unterscheiden sich stark von naturnahen Wäldern wie etwa dem Plenterwald in Couvet im Neuenburger Jura (vgl. Bilder).

Auch ist zu beachten, dass Wälder das aufgenommene CO2 nur dauerhaft speichern, wenn die Waldbestände auch stabil und widerstandsfähig sind. Und gerade in bewirtschafteten Wäldern ist das nicht unbedingt automatisch gewährleistet. Wie die Wälder auf den Klimawandel reagieren und was dies für die Kohlenstoffspeicherung bedeutet, ist schwierig abzuschätzen. Infolge von Feuer, Stürmen, Dürren oder Borkenkäfer können innerhalb kurzer Zeit auch wieder bedeutende Mengen an Treibhausgasen in die Atmosphäre gelangen. Dieses Risiko ist im Auge zu behalten und bei der Waldbewirtschaftung zu berücksichtigen.

Erfolgt die Holznutzung ökologisch verträglich und werden aus dem Holz primär langlebige Produkte hergestellt, die auch noch energieintensive Materialien wie Stahl und Beton ersetzen, so ist damit ein beträchtlicher Klimaschutzeffekt verbunden. Problematisch wäre es hingegen die Wälder primär als Energielieferanten zu betrachten und verbreitet auf kürzere Produktionszeiten zu setzen. Damit würde ein guter Teil des aktuell in der Waldbiomasse gespeicherten Kohlenstoffs in die Atmosphäre gelangen. Und gerade davor warnen derzeit Wissenschaftler, etwa in einem Bericht der europäischen Wissenschaftsakademien.

Auf eine menschliche Nutzung der Ökosysteme zugunsten einer maximalen Kohlenstoff­speicherung ganz zu verzichten, ist nicht möglich. Um leben zu können, müssen wir Nahrung produzieren und auch Holz nutzen. Sehr viel liesse sich aber mit einem guten Management der Ökosysteme erreichen. Eine Gruppe von Wissenschaftlern ermittelte kürzlich das Potenzial dieser sogenannten Natural Climate Solutions. Unter Berücksichtigung der Produktionsbedürfnisse und des Naturschutzes entspricht dieses immerhin 37 Prozent der erforderlichen Treibhausgasreduktion bis 2030, um die Erwärmung möglichst unter 2 Grad Celsius zu halten. Die grössten Beiträge könnten dabei der Stopp der Entwaldung, Aufforstungen, eine naturnahe Forstwirtschaft, weniger Düngereinsatz in der Landwirtschaft sowie der Schutz der Feuchtgebiete und Torfböden leisten (vgl. auch Videobeiträge).

Die grosse Herausforderung besteht darin, die Ökosysteme so zu bewirtschaften, damit diese die für das Überleben nötigen Güter liefern, gleichzeitig aber möglichst viel Kohlenstoff speichern und die vorhandenen Naturwerte geschützt werden. Grundsätzlich ist zwischen der Holznutzung und der maximalen Kohlenstoffspeicherung im Wald abzuwägen. Wird jedoch bei gleichbleibendem inländischen Holzverbrauch weniger einheimisches Holz genutzt, muss einfach mehr aus dem Ausland importiert werden. Dieses Muster zeigt sich in der Schweiz bei vielen Gütern. Gemäss dem nationalen Treibhausgas­inventar betragen die gesamten inländischen CO2-Emissionen derzeit etwas über 50 Millionen Tonnen pro Jahr. Ein völlig anderes Bild ergibt sich, wenn die durch den gesamten Schweizer Konsum im Ausland verursachten Treibhausgasemissionen auch gezählt werden. Diese betragen mit über 100 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten nämlich rund das Doppelte. Mit einer klugen Politik ist diesem Dilemma Rechnung zu tragen.

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