Verschandelt die Energiewende die Landschaft?

PV-AnlageAltikon

Solardach auf einem Ökonomiegebäude in Altikon ZH.

6. Dezember 2014 – Soll der schrittweise Ausstieg aus der Kernkraft erfolgen, was ich befürworte, dann sind in absehbarer Zeit 25 TWh Strom pro Jahr zu ersetzen. Fast so viel, nämlich 24,2 TWh Strom, will der Bundesrat im Rahmen der Energiestrategie 2050 durch neue erneuerbare Energien erzeugen. Den Löwenanteil sollen dabei Photovoltaik (11,2 TWh) und Windturbinen (4,3 TWh) beisteuern.

Fragt sich nur, was die vielen Wind- und Solaranlagen für unsere Landschaft und Ortsbilder bedeuten. Bisher erst wenig beachtete Ergebnisse der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL deuten darauf hin, dass rund drei Viertel der angestrebten erneuerbaren Energien relativ «konfliktarm» erzeugt werden können. Bei der Windkraft wurden die Landschaften von nationaler Bedeutung (BLN-Gebiete) in der Analyse zwar nicht ausgeschlossen, es dürften aber recht grosse Konflikte entstehen. Obwohl die BLN-Gebiete 19 Prozent der Landesfläche ausmachen, schätzen die Forscher das «konfliktarme» Potenzial der Windkraft auf 5,1 TWh, also sogar etwas höher als in der Energiestrategie 2050. Bei der Photovoltaik fällt das «konfliktfreie» Potenzial auf Dächern mit 7,5 TWh hingegen deutlich geringer aus als bei der Energiestrategie 2050. Begründet wird dies vor allem mit den Konflikten mit dem Ortsbild und der nicht immer einfachen Aufgabe, geeignete Dächer für Solaranlagen in der Praxis auch zu bekommen.

Was bedeuten diese Ergebnisse? Ich meine, sie stimmen zuversichtlich. Wir können einen grossen Teil des Stroms aus erneuerbaren Energien mehr oder weniger landschaftsverträglich erzeugen. Es gibt somit keinen Grund, den ohnehin nicht absoluten Schutz der BLN-Gebiete voreilig zu lockern. Dass der Nationalrat die Nutzung erneuerbarer Energien grundsätzlich zur Aufgabe von nationalem Interesse erklären will, ist nachvollziehbar. Damit wird eine Güterabwägung in BLN-Gebieten (und im Prinzip auch in geschützten Ortsbildern) möglich. Sie muss aber fair erfolgen, und die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) darf nicht geschwächt werden. Sonst wird es kritisch. Sollte sich in 20 Jahren herausstellen, dass es einfach nicht reicht, können wir immer noch darüber diskutieren, ob der Landschaftsschutz gelockert werden soll.

Bemerkenswert an den Ergebnissen der WSL-Studie ist, dass das «konfliktarme» Potenzial der Photovoltaik geringer ausfällt als angenommen. Gibt es alternative Standorte für Solaranlagen? Fassaden? Infrastrukturanlagen? Kann die Holzenergie einen grösseren Beitrag leisten als bisher veranschlagt? Oder liegt vielleicht bei der (Klein)Wasserkraft doch etwas mehr drin? Wobei die wenigen noch unberührten Gewässer in jedem Fall tabu sind.

Bei der Wasserkraft und auch bei der Windkraft ist eine kantonale oder sogar regionale Planung zwingend erforderlich. Bei der Wasserkraft, weil wir uns vor wenigen Jahren zum Ziel gesetzt haben, bis Ende des 21. Jahrhunderts 4000 Flusskilometer zu revitalisieren. Ohne Koordination geht das nicht. Und bei der Windkraft könnte ohne solide Planung mit jeder weiteren Windturbine der Gegenwind stärker werden. Heute haben wir in der Schweiz 35 Windräder. Um die Ziele bis 2050 zu erreichen, sind gegen 1000 Windturbinen erforderlich – zum Beispiel 100 Windparks à je 10 Windturbinen. Das wird nur gut gehen, wenn Energieanlagen in der Landschaft – so wie es Axel Simon kürzlich formulierte – von der Bevölkerung zunehmend als Symbole für die Energiewende und eine nachhaltige Zukunft wahrgenommen werden.

Ich meine, wir sollten die Weichen in diese Richtung stellen. Und uns bewusst sein, dass das erst der Anfang ist. Die noch schwierigere Aufgabe, nämlich die fossilen Brenn- und Treibstoffe bei den Gebäuden und beim Verkehr zu ersetzen, steht uns noch bevor.

 

Forum für Wissen der WSL zum Thema «Landschaft und Energiewende»: Tagungsband (.pdf Dokument)

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