Pizzoccheri 100% Valposchiavo

Gehört zum UNESCO-Weltkuluterbe Albula/Bernina: Kreisviadukt von Brusio.

15. Januar 2019 – Kauft man heute im Laden Teigwaren für Pizzoccheri, so sind diese meistens im Veltlin produziert worden. Die Nudeln werden aus Buchweizen und Hartweizen hergestellt. Seit einiger Zeit wird der traditionsreiche Buchweizen auch wieder im Puschlav angebaut, und vor Ort auch zu Nudeln verarbeitet. Somit kann man die Pizzoccheri, das vielleicht bekannteste Puschlaver Gericht, wieder mit nur Zutaten aus dem Bündner Südtal zubereiten.

Im letzten Herbst konnte ich einen Artikel über ein so genanntes Interreg-Projekt schreiben. Diese Projekte widmen sich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Europa. Das Projekt, über das ich berichten konnte, hatte den Titel «AlpFoodway» (vgl. Artikel RegioS). Hinter dem etwas technisch klingenden Titel verbirgt sich ein Projekt mit hohem kulturellen Anspruch: Im Fokus steht nämlich die alpine Esskultur.

Nahrungsmittel und Essen stiften Identität für die Regionen. Kulinarische Vielfalt bereichert. Koordiniert wird dieses Projekt von Cassiano Luminati, dem Direktor des Polo Poschiavo, dem Kompetenzzentrum für Bildung und Regionalentwicklung im Puschlav. Als ich ihn im September für ein Gespräch in Poschiavo treffen wollte, fanden wir keinen Termin. Luminati ist viel unterwegs für das Projekt, an dem 14 Partner aus sechs Alpenländern mitwirken. Doch es ergab sich die Gelegenheit, einige Gespräche für den Artikel im Val de Bagnes im Unterwallis zu führen. Denn der zweite Schweizer Partner bei «AlpFoodway», das Centre régional d’études des populations alpines (crepa), organisierte ein Kolloquium mit dem Titel „Guôt des montagnes – Gôut des plaines». Somit erhielt ich doch noch einige direkte Einblicke. Und die Reise war auch aus kulinarischer Sicht höchst ergiebig.

Kastanienbäume im Kreisviadukt.

Nur gab es dort natürlich keine Pizzoccheri. Deshalb nutzte ich die Gelegenheit, in den Herbstferien im Engadin einen Abstecher ins Puschlav zu machen. Die Fahrt über den Berninapass im Licht der Herbstfarben war grandios. Der Piz Bernina mit dem Biancograt präsentierten sich majestätisch (Foto), der Lago Bianco funkelte auf dem Pass (Foto).

An diesem Sonntag fand in Brusio gerade das Kastanienfest statt. Zuerst wanderte ich zum Kreisviadukt. Dieser gehört seit zehn Jahren zum UNESCO-Weltkulturerbe der Rhätischen Bahn in der Landschaft Albula/Bernina. Im Innern des Kreisviadukts wachsen Kastanienbäume, die auch wieder gepflegt werden. Anschliessend suchte ich den Festplatz in Campascio auf. Dort war das Volksfest, die «Sagra della Castagna», bereits in vollem Gange. Serviert wurden unter anderem Polenta und Käse.

 

In einer Reihe aufgestellt:

Die «Marunat da Brüs» braten …

die Kastanien auf dem Feuer …

für die Festbesucher.

Am frühen Nachmittag ging es dann los: Die Männer, die «Marunat da Brüs», begannen mit dem Braten der Kastanien über dem Feuer. Die Pfanne mit den Kastanien passt genau auf ein Fass, in dessen unterem Teil ein Feuer brennt. Beim Braten nehmen die Männer die Pfanne immer wieder vom Feuer und schütteln die Kastanien kräftig durch, damit sie nicht anbrennen. Die fertigen «caldarroste» bringen sie zu einem Tisch, wo diese gratis an die Festbesucher verteilt werden. Puschlaver Kastanien der besten Qualität werden auf dem Markt auf dem Festgelände auch zum Verkauf angeboten.

Das Puschlav hat in den letzten Jahren viel unternommen, um regionale Produkte zu fördern. Viel Aufmerksamkeit erhielt etwa die Initiative «100% Valposschiavo». Dabei verpflichten sich Gastrobetriebe, lokale Produkte zu verwenden und deren Verkauf zu fördern. Damit Gäste und Einheimische diese kulinarischen Köstlichkeiten auch geniessen können, haben sich die Bauernverbände von Poschiavo und Brusio, der Gewerbeverband sowie die lokale Tourismusorganisation im Tal zusammengetan. Einheimische Kastanien und Pizzöcar ala pusc’ciavina (Rezept) sind dabei nur zwei der lokalen Speisen.

Und somit wird auch klar, weshalb es kein Zufall ist, dass das Projekt AlpFoodway massgelblich von einem Puschlaver angestossen wurde und nun auch koordiniert wird. Im Herbst lancierten die Projektverantwortlichen eine Charta für die Alpine Esskultur, die Interessierte unterzeichnen können (Webseite Petition). Damit soll auch die Diskussion über eine mögliche Kandidatur zur Alpinen Esskultur für die Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO angestossen werden. Der Umgang mit der Lawinengefahr ist kürzlich als immaterielles Kulturerbe von der UNESCO anerkannt worden. Folgt nach den Lawinen nun bald auch die alpine Esskultur?

 

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