Neues Buch über die Waldtypen im Kanton Schwyz

Die Klippen der Mythen bei Schwyz, gesehen vom Holzturm im Tierpark Goldau.

12. Februar 2023 – Weshalb kommen in einem bestimmten Wald gewisse Baumarten vor, in einem anderen Wald aber andere? Warum kommen bestimmte Bodenpflanzen immer in ähnlichen Wäldern vor? Und welche Rolle spielen der Boden und das Muttergestein?

Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Vegetationskunde. Geht es in erster Linie um die Artenkombination der Pflanzen, ist auch von der Pflanzensoziologie die Rede. Damit sind Gemeinschaften von Pflanzen gemeint. Bei Wäldern rücken Baum- und Straucharten in den Vordergrund. Die Gesetzmässigkeiten, nach denen ein Wald an einem bestimmten Standort seien Ausprägung erhält, faszinierten mich schon immer. Im Studium der Forstwissenschaften bekamen wir drei zentrale Fragen, die in einem Waldbestand zu stellen sind, mit auf den Weg: Wer bist du? Woher kommst du? Wohin gehst du?

Die Fragen führen automatisch zu weiteren Fragen: Wie haben der Mensch und die Bewirtschaftung den Waldbestand beeinflusst? Wie wird sich dieser mit welchen Massnahmen weiterentwickeln? Wie würde er – irgendwann einmal – aussehen ohne menschliche Einflussnahme? Und was für ein Wald hätte sich entwickelt, wenn der Mensch gar nie eingegriffen hätte? Es geht einerseits also um den bewirtschafteten Kulturwald, andererseits um den Naturwald ohne menschliche Einflussnahme. Die Bandbreite der Wälder ist gross. Sie reicht vom Urwald über naturnahe Wälder bis zu kommerziell ausgerichteten Gehölzplantagen.

An der ETH Zürich machten uns Frank Klötzli und Hans-Ueil Frey mit den Waldgesellschaften der Schweiz vertraut. Zusammen mit dem bekannten Geobotaniker Heinz Ellenberg, der einige Jahre an der ETH Zürich wirkte, veröffentlichte Klötzli 1972 das Buch mit den 71 Waldgesellschaften und Waldstandorten der Schweiz. Die Exkursionen in der ganzen Schweiz habe ich in sehr guter Erinnerung.

Mehr als 25 Jahre später veröffentlichte Hans-Ueli Frey nun seine gesammelten Erkenntnisse in einem reich bebilderten Buch. Der Fokus liegt auf dem Kanton Schwyz, weil Hans-Ueli Frey während 30 Jahren Projekte in diesem Kanton bearbeiten konnte.

Im November 2022 fand die Vernissage im Kloster Einsiedeln statt. Der Ökologe mit forstlichem Hintergrund blickte auf sein Studium zurück. Damals sei ein recht einfacher Blick auf den Wald verbreitet gewesen. Eine simple Definition habe gelautet, ein Wald sei eine mit Bäumen bestockte Fläche. Zudem sei ein «guter» Wald gepflegt, werde bewirtschaftet und müsse erschlossen sein, so Frey. Es sei damals Frank Klötzli gewesen, der ihm die Augen für den Wald geöffnet habe, dass Pflanzen Gemeinschaften bilden würden, die sich unter ähnlichen Bedingungen ähnlich sind.

Das Buch sollte auch für Laien verständlich sein. Dieser Anspruch wird eingelöst. Der Kanton ist in fünf Regionen gegliedert: Wälder im Molasse-, Föhn-, Flysch- und Klippengebiet sowie in den Kalkalpen. Zu den «Klippen» zählen beispielsweise die symbolträchtigen Mythen bei Schwyz (vgl. Foto). Die Kalkalpen befinden sich im südlichen Kantonsteil. Zuhinterst im Wägital entdeckte Hans-Ueli Frey am Himmelkopf sogar Arven. In einer Publikation über die Arven der Schweiz des Zürcher Botanikers Martin Rikli aus dem Jahre 1909 stiess er auf Hinweise. Und die Erkundungen vor Ort bestätigten, dass dort tatsächlich Arven vorkommen. Spezielle Wälder gedeihen auch in den Föhngebieten des Vierwaldstättersees.

Im Buch sind 61 Waldtypen im Kanton Schwyz immer nach dem gleichen Muster beschrieben. Kurze Texte präsentieren den «Standort», den Naturwald, bieten einige Informationen zur Bewirtschaftung sowie zum Naturwert. Ergänzt werden die Texte durch

Ökogramme, idealisierte Bestandesprofile sowie typische Waldfotos. Zu jedem der fünf Gebiete werden Wandervorschläge gemacht, und zwar an Orten, wo man mehrere Waldtypen auf relativ kleinem Raum entdecken und erleben kann.

Hans-Ueli Frey identifizierte auch zwei neue Waldtypen, die von den Vegetationsfachleuten bisher übersehen wurden. In Forstsetzung von «Ellenberg-Klötzli» erhielten sie die Nummern 72 und 73. Auf deutsch: der Bergföhren-Arvenwald und der Zwergmispel-Moorbirkenwald.

Interessant ist das Kapitel über die Zukunft der Wälder und den Wald der Zukunft. Veränderungen gab es seit der letzten Eiszeit permanent, heute aber ändert sich das Klima in einem unglaublich raschen Tempo. Könnten etwa Wälder in Norditalien, die dem Autor vertraut sind, als Bild für künftige Wälder dienen?

An einigen Stellen gedeihen solche Wälder in Ansätzen schon an extremen Standorten im Kanton Schwyz. Offensichtlich erscheint aber, dass wenn die Wälder unter den künftigen Klimabedingungen sich in eine solche Richtung entwickeln, sie ein markant anderes Gesicht bekommen werden – an manchen Orten mehr, an anderen weniger. Die «Ressourcen» reichen nicht mehr für ein Baumwachstum, wie es uns vertraut ist. Die Bäume werden nicht mehr so dick, und sie werden weniger hoch. Sie können aber mit Trockenperioden besser umgehen. Wald wird zweifellos weiterhin gedeihen, doch die Waldbilder verändern sich. Wie die verschiedenen Waldleistungen erbracht werden können, das ist eine offene Frage.

Zusätzliche Beiträge zum Schutzwald, dem Naturschutz, der Rolle des Waldes bei der Energiewende, dem Wald als Lebensraum für das Auerwild, der Wald- und Forstgeschichte sowie Blasmusikinstrumenten bereichern das Buch. Es sind allesamt lesenswerte Beiträge.

Das Buch vermittelt ein tiefes Verständnis über die vielfältigen Wälder im Kanton Schwyz. Hans-Ueli Frey wünscht sich, dass wieder vermehrt im Wald beobachtet wird. Er sieht den Wald als «Lehrer». Womöglich liefere der Wald selbst Antworten auf unsere Fragen. Das genaue «Beobachten» ist entscheidend, wenn wir uns an den natürlichen Kräften im Wald orientieren und diese möglichst ausnutzen möchten, um den Wald naturnah zu bewirtschaften.

 

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