Landwirtschaft auf Moorböden: Unliebsame Forschungsergebnisse

Landwirtschaft im Grossen Moos bei Hagneck (BE) am Bielersee.

17. April 2017 – Die landwirtschaftliche Nutzung von Moorböden ist ein heisses Eisen. Die Entwässerung von Mooren ist weltweit ein Thema. So verständlich der Wunsch nach landwirtschaftlich nutzbarem Land ist, die Urbarmachung dieser Böden ist mit folgenschweren ökologischen Nebenwirkungen verbunden. Moorbrände mit eingerechnet, stammen fast sechs Prozent der globalen durch den Menschen verursachten Kohlendioxidemissionen aus der Bewirtschaftung ehemaliger Moorböden. Kürzlich konnte ich dazu einen Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung veröffentlichen.

Ist ein Moor entwässert, baut sich der über Jahrhunderte aufgebaute Torfkörper infolge des Luftzutritts langsam ab. Dabei entweicht der im Torf enthaltene Kohlenstoff (C) als Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre. Dieser Prozess lässt sich durch eine Wiedervernässung stoppen. In Deutschland und in anderen Ländern Europas wird dies seit einigen Jahren praktiziert.

In der Schweiz ist das Thema erst wenig bekannt. Ein spannendes Forschungsprojekt läuft aktuell im Seeland in Cressier (NE) zwischen dem Bieler- und Neuenburgersee. Ein Team der Universität Basel und der Forschungsanstalt Agroscope misst in einem stark degradierten Flachmoor seit drei Jahren die Kohlenstoffflüsse zwischen dem Boden und der Atmosphäre. Bis 2009 ackerbaulich genutzt, findet dort derzeit eine extensive Grünlandnutzung statt. Ab diesem Jahr wird die Fläche aus Naturschutzgründen wiedervernässt. Dadurch ergibt sich die einmalige Gelegenheit, diesen Übergang zu dokumentieren. Aufgrund des bisherigen Wissens ist anzunehmen, dass sich die Fläche von einer bedeutenden CO2-Quelle zu einer CO2-Senke wandelt, der Atmosphäre somit mehr Treibhausgase entzieht als in diese entlässt und somit in der Summe der Klimaerwärmung entgegen wirkt.

Daraus wird nun aber nichts. Der Bewirtschafter und Pächter der Fläche, die dem Kanton Neuenburg gehört, stellt sich quer. Er erlaubt dem Forscherteam nicht mehr, Messungen durchzuführen und hat den Vertrag gekündigt. Die Forschenden müssen nicht nur ihre Messinstrumente betreiben, sie sind auch auf eine Kooperation mit dem Pächter angewiesen. Als Grund für die Kündigung der Zusammenarbeit führte der Pächter die in seinen Augen einseitige Berichterstattung an. Verärgert war er insbesondere über einen Ende Januar ausgestrahlten Beitrag im Schweizer Fernsehen.

Die Vorkommnisse beunruhigen. Klar, die Bauern stehen unter Druck. Die Stimmung im Grossen Moos im Seeland ist aufgeheizt. Das veraltete Drainage- und Entwässerungssystem muss kostspielig erneuert werden, soll es seine Funktion weiterhin erfüllen. Die Produktion von einheimischen Nahrungsmitteln ist wichtig. Aber nicht um jeden Preis. Ebenso wichtig ist der Klimaschutz. Und vor unliebsamen Forschungsergebnissen kann man die Augen nicht einfach verschliessen. Es ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen.

Der Pächter hat den kleinen Machtkampf in Cressier gegen die Forschenden vorerst für sich entschieden. Das Projekt wäre drei weitere Jahre durch das Bundesamt für Umwelt finanziert worden, denn der Bund selbst hat ein Interesse an verlässlichen Daten. Unabhängig davon wird aber die intensive Nutzung der Moorböden aus Gründen des Klimaschutzes zunehmend unter Druck geraten. Mit einem sturen Verhalten riskieren die Bauern, den Goodwill, den sie in der Bevölkerung zu einem grossen Teil noch haben, zu verspielen.
Es steht in der Tat viel auf dem Spiel.

Artikel in der NZZ vom 24. März 2017 – Langversion

 

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