Im Wald der Douglasien

Der Wald bei Dintikon (AG) im Winterkleid

23. Dezember 2017 – Fast etwas nordamerikanisch sehe es dort im Kanton Aargau aus. Das waren meine Informationen eines Botanikers, der in besagtem Wald bei Dintikon (AG) sich mit der Ausbreitung und Verjüngungsdynamik der Douglasie beschäftigte.

Als ich dann die Douglasien fand und in ihre Kronen hochblickte, war ich fasziniert. Die gewaltigen Stämme beeindrucken. Sie haben etwas Majestätisches. Über hundert Jahre alt sind die Bäume. Unsere Vorfahren pflanzten und pflegten sie. Was genaue die Gründe waren und weshalb gerade an diesem Ort, ist unklar. Hatte der Förster vielleicht eine Beziehung zum Westen Nordamerikas, der Heimat der Douglasien?

Im 19. Jahrhundert pflanzten die Förster die Douglasie in den Wäldern in Europa. Eine wichtige Motivation war die Verschönerung des Waldes. Es war die Zeit, in der in Stadtnähe die Wälder auch als Erholungsraum entdeckt wurden.

In den 1990er Jahren, als ich in Zürich studierte, war der Anbau der Douglasie ein heisses Thema. Eine Seite plädierte für eine forcierte Förderung, unter anderem wegen ihres begehrten Holzes. Die andere Seite vertrat die Ansicht, man solle doch zuerst die Palette der einheimischen Baumarten voll ausschöpfen. Dahinter steckten nicht einmal in erster Linie naturschützerische Motive, wie sie heute oft vorgebracht werden. Vielmehr waren es Risikoüberlegungen. Denn die Forstwirtschaft machte mit dem Anbau von fremdländischen Baumarten oder «Exoten», wie sie damals oft auch genannt wurden, in der Vergangenheit eben auch schlechte Erfahrungen. So etwa mit der ebenfalls aus Nordamerika stammenden Strobe. Bald schon bedrängte der Blasenrost, ein in Europa und Asien vorkommender Pilz, den Nadelbaum. Problematisch war vor allem auch, dass der Krankheitserreger später auch nach Nordamerika gelangte und dort zu einem ernsthaften Problem wurde.

Ich selber gehörte damals zu der eher skeptisch eingestellten Gruppe. Heute komme ich zu etwas anderen Schlüssen. Natürlich sind höchste Sorgfalt und Risikoüberlegungen beim Einbringen von fremden Organismen in Ökosysteme nötig. Aber man sollte auch anerkennen, dass sich eben auch die Umweltbedingungen verändern. Zum Teil ist Wandel natürlich. In vielen Fällen verursacht aber direkt oder indirekt der Mensch die Veränderungen. Der aktuelle Wandel ist also zu einem grossen Teil anthropogen bedingt und schreitet wie zum Beispiel der Klimawandel in unglaublichem Tempo voran. Weil der Einfluss des Homo sapiens so omnipräsent ist, sehen manche Wissenschaftler denn auch ein neues Erdzeitalter angebrochen, und sie nennen es «Anthropozän».

Das kann dazu führen, dass die Wälder in ihrer ursprünglichen Baumartenzusammensetzung nicht mehr die Leistungen zu erfüllen vermögen, die wir eigentlich gerne hätten. Das heisst aber nicht, dass wir in menschlicher Hybris jetzt darangehen sollten, den Wald komplett umzubauen. Das käme gewiss nicht gut. Wir sollten aber auch nicht davon ausgehen, dass so wie es jetzt ist, es in jedem Fall auch in Zukunft funktionieren wird. Klug ist es, wenn wir verschiedene Optionen offenhalten. Denn der Mensch ist mit seinem masslosen Wirken daran, die Welt derart rasch zu verändern, dass es in den nächsten Jahrzehnten wirklich ungemütlich auf dem Planeten werden könnte (vgl. auch Aufruf besorgter Wissenschaftler).

Artikel NZZ vom 22. Dezember 2017 – Ein Nadelbaum wird zum Zankapfel
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