Hartes Pflaster für Bäume auf dem Sechseläutenplatz

Bauminsel mit abgestorbenen Tulpenbäumen neben dem Caffè Collana.

23. Oktober 2018 – Der neue Sechseläutenplatz beim Zürcher Bellevue gefällt. Kaum an einer anderen Stelle in der Stadt erlebt man in Zürich ein so grosszügiges urbanes Ambiente wie hier – sofern der Platz nicht für irgendwelche anderen Zwecke genutzt wird. Die Behörden sind zu recht stolz auf diesen für Zürcher Verhältnisse kühnen Wurf.

Trotzdem will nicht recht Freude aufkommen. Der Grund: Den Bäumen in den fünf Bauminseln geht es nicht gerade gut (vgl. Bild links). 15 der 56 Bäume sind nicht mehr zu retten und müssen gefällt werden. Für ihr Absterben gibt es laut den Verantwortlichen von Grün Stadt Zürich keinen klaren Grund. Bestärkt werden sie in ihrer Einschätzung durch den Umstand, dass einigermassen vitale Individuen direkt neben abgestorbenen Bäumen stehen. Als eine der möglichen Ursachen gilt der tiefe Grundwasserspiegel, der jedenfalls tiefer liegt, als man bei der Projektierung angenommen hatte. Möglicherweise veränderte auch der Bau des Parkhauses die Grundwasserverhältnisse. Zudem verhindern die Chaussierungen mit Netstaler Mergel – ein fester Belag aus Natursteinmaterial – das Einsickern von Regenwasser weitgehend (vgl. Bild weiter unten). Die starke Bodenverdichtung in den begehbaren Bauminseln ist ein weiterer Belastungsfaktor.

Bei den gepflanzten Baumarten handelt es sich um nordamerikanische Roteichen und Tulpenbäume. Sie wurden ausgewählt, weil ihr Laub im Herbst intensiv rot beziehungsweise gelb leuchtet. Zumindest beim Tulpenbaum ist allerdings bekannt, dass dieser eher auf guten Böden wächst. So unerwartet ist es also nicht, dass die Bäume auf dem Sechseläutenplatz Mühe haben. Eigentlich erstaunt es fast schon, dass drei Viertel der Bäume bis jetzt überlebt haben.

Hartes Los für die Bäume auf dem Sechseläutenplatz.

Die Bäume wurden auf ihr Leben in der Stadt vorbereitet. In der Baumschule sind sie fünf- bis siebenmal umgepflanzt worden, bevor sie als 25 bis 30 Jahre alte Bäume samt Wurzelballen an ihrem Bestimmungsort gepflanzt wurden. Durch das wiederholte Abstechen, Umpflanzen und Düngen wird das Wachstum der Feinwurzeln gefördert, es bildet sich ein kompakter Wurzelballen aus. Ohne diese Vorbereitung würde den Bäumen eine Versetzung in einem so fortgeschrittenen Alter gar nicht gut bekommen.

Als sich der Zustand einiger Bäume auf dem Sechseläutenplatz verschlechtert hatte, reagierten die Baumpfleger. Als erstes versuchten sie im trocken und heissen Sommer 2018 die Bäume mit Wasser zu versorgen. Dafür bohrten sie Löcher in den harten, verdichteten Boden und legten Sandsäcke um die Bauminseln. Damit sollte Wasser den Wurzelraum erreichen.

Nun folgen in den nächsten Wochen die nächsten Rettungsmassnahmen. So wird die Möglichkeit geprüft, Flüssigkompost oder Nährstofflösungen mittels Hochdruck-Injektionen direkt im Wurzelraum der Bäume anzubringen. Der Bodenverdichtung soll entgegengewirkt werden, indem die Chaussierungen abgetragen werden und an deren Stelle ein gitterartiger Bodenschutz verlegt wird, der den Druck aufnimmt, das Bild optisch jedoch nicht beeinträchtigen soll. Damit hofft man, die Versorgung der Wurzeln mit Wasser und Luft zu verbessern. Eventuell wird im Boden sogar ein Röhrensystem zur Bewässerung angelegt. Geprüft wird auch eine temporäre Unterpflanzung, bis die Bäume angewachsen sind. Die absterbenden oder bereits abgestorbenen Bäume werden ersetzt. Ein Baum in diesem Alter kostet 10’000 bis 15’000 Franken. Die Sanierung soll bis zum Sechseläuten im Frühling 2019 abgeschlossen sein.

Einmal mehr zeigt sich: Bäume sind Lebewesen! Sie ertragen nicht alles. Wollen wir ihnen eine faire Chance im urbanen Raum geben, müssen wir für entsprechende Lebens- und Wuchsbedingungen besorgt sein. Ästhetische und gestalterische Aspekte sind zweifelos wichtig. Werden die Bäume als lebendige Wesen jedoch nicht respektiert, ist ein Scheitern vorprogrammiert. Wären Plastikbäume eine Alternative? Nicht wirklich, denn sie können die herbstliche Verfärbung (noch) nicht imitieren.

 

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