Die Waldkorporation Güttingen feiert

Winter im Güttinger Wald. Welcher Weg ist einzuschlagen, um die Zukunft zu meistern?

31. Januar 2021 – Vor ziemlich genau 250 Jahren war für die Güttinger ein ganz wichtiger Tag. Am 24. Januar 1771 schenkte der Bischof von Konstanz ihnen nämlich 162 Hektaren Wald. Sie sollten diesen künftig als gemeinsamen Besitz bewirtschaften. Und zwar «Solange Sonne, Mond und Sterne am Himmel stehen», heisst es in der Schenkungsurkunde.

Güttingen liegt am Bodensee zwischen Kreuzlingen und Romanshorn. Südlich des Dorfes mit wunderschönen Blick auf den See befindet sich ein stattlicher Waldkomplex, der Güttinger Wald. 2012 kamen die Wälder der Korporationen Hefenhofen und Obersommeri zur Waldkorporation Güttingen dazu. Diese ist somit Eigentümerin von 274 Hektaren Wald.

Als privatrechtliche Körperschaft handelt es sich um eine besondere Eigentumsform, nämlich um ungeteilten, nicht parzellierten Privatwald. Gegenwärtig besitzen 90 Anteilhaberinnen und Anteilhaber 574 Anteile. Diese können vererbt werden, sind aber auch frei handelbar. Die Nutzungsberechtigten erhalten Gabenholz, das aktuell einen Ster Brennholz pro Anteil beträgt, sowie allenfalls eine Dividende. Eine solche ist letztmals 2010 ausbezahlt worden.

Zu ihrem Jubiläum hat die Waldkorporation Güttingen ein Buch herausgegeben. Es handelt von der Geschichte der Korporation, ihrem eichenreichen Wald, den Naturschätzen, aber auch den vielen Menschen, die im Güttinger Wald gewirkt haben. Die Korporation teilt sich den Förster mit anderen Waldeigentümern und unterhält einen kleinen Forstbetrieb mit zwei Angestellten. Im Ausblick des Buchs macht sich Armin Vogt, der Präsident der Waldkorporation, denn auch einige Gedanken, wie es weitergehen könnte. Den eigenen Forstbetrieb betreibe man aus Überzeugung. So sei man jederzeit und auch bei Naturereignissen handlungsfähig. Ob diese Eigenständigkeit angesichts der wirtschaftlichen Situation beibehalten werden könne, sei jedoch unsicher.

Die Anteilhaber haben Anrecht auf Brennholz.

Eichenreiche Wälder als Markenzeichen.

Das Buch gibt einen vielfältigen Einblick in diesen speziellen Wald. Sehr eindrücklich sind die historischen Bilder des sogenannten Mittelwaldes: Alte Eichen umgeben von dünnen Stämmchen, die als Brennholz genutzt wurden. Die rund 100 Jahre alten Fotos vermittlen einen ungeschminkten Blick, wie der Mittelwald wirklich ausgesehen hatte und welch bedeutende Rolle der Wald als Brennholzlieferant früher spielte.

Die Texte verfassten mehrere Autorinnen und Autoren. Ein vierköpfiges Redaktorenteam formte ein Buch. Dabei kommt die Verbundenheit mit dem eigenen Wald klar zum Ausdruck. Man bewirtschaftet und pflegt einen Wald gemeinsam. Und doch handelt es sich nicht um «öffentlichen» Wald, der beispielsweise im Besitz einer politischen Gemeinde ist. Die speziellen Ausprägungen und Bewirtschaftung von Gemeingütern haben in den letzten Jahren vermehrt auch das Interesse der Forschung geweckt. Was ist entscheidend, damit gemeinsam bewirtschaftete Ressourcen auch Zukunft erfolgreich ist? Vielleicht noch mehr als im Wald stellen sich diese Fragen im Schweizer Berggebiet bei den zahlreichen Alpgenossenschaften (vgl. auch «Bürgergemeinden und Korporationen: Auslaufmodell oder blühende Zukunft?»).

Die Waldkorporation Güttingen konnte das Jubiläumsbuch nicht wie geplant im Rahmen eines grossen Festes präsentieren. Interessierte und vor allem die Anteilhaberinnen und Anteilhaber konnten ihr Buch jedoch auf einem Waldspaziergang beim Waldhaus abholen. Ich nutzte die Gelegenheit ebenfalls, um diesen Wald kennenzulernen. Und was ich auf der kurzen Wanderung gesehen habe, macht Lust auf mehr. Ich komme im Frühling oder im Sommer zurück – vor allem wegen der urtümlichen Eichen.

 

Weitere Fotos: Eichen 1Eichen 2

Weitere Informationen zum Buch «Solange Sonne, Mond und Sterne am Himmel stehn»

 

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