Die Natur braucht (auch) Land

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Die 5,5 Hektare grosse Aufweitung im Epsemoos.

17. September 2015 – Der Hagneckkanal, das Herzstück der Juragewässerkorrektion, ist saniert. Er schützt die Bevölkerung jetzt deutlich besser vor Hochwasser. Die Fitnesskur der 130 Jahre alten Dämme erfolgte in Rekordzeit. Von der Planung bis zum Abschluss der Bauarbeiten vergingen nur rund zehn Jahre. Wie bei modernen Hochwasserschutzprojekten heute üblich, erfolgten auch ökologische Aufwertungsmassnahmen. Ausserhalb des Flussprofils standen dafür 6 Hektaren Land zur Verfügung. Für diese Flächen erhielten die Bauern Realersatz.

Ist das viel Land? Nicht unbedingt. Aber teuer waren die Massnahmen zugunsten der Natur schon. Von den Gesamtkosten von rund 42 Millionen Franken flossen knapp 10 Prozent in die ökologischen Aufwertungen. Den Grund für die relativ hohen Kosten sehen die Verantwortlichen im Umstand, dass der Hagneckkanal ein künstliches Gewässer ist und die Massnahmen in einer stark genutzten Landschaft erfolgten. Der Verlust an Kulturland ist aber auch mit einer anderen Zahl ins Verhältnis zu setzen. Dank der Juragewässerkorrektion rang man dem ehemaligen Sumpfgebiet 350 Quadratkilometer (35000 Hektaren) Agrarland ab. Die 6 Hektaren machen also lediglich 1:5833 aus.

Im 19. und 20. Jahrhundert verschwanden in der Schweiz viele Feuchtgebiete. Durch Entwässerung und Flusskorrektionen gewann man zusätzliche Flächen für die Nahrungsmittelproduktion – auch als Binnenkolonisation bezeichnet. Dadurch gingen viele ökologisch wertvolle Gebiete verloren. Gemäss Schätzungen sind seit Ende des 19. Jahrhunderts 90 Prozent der Feuchtflächen im Schweizer Mittelland drainiert worden. Ein weiterer Effekt besteht darin, dass trockengelegte organische Böden von Feuchtgebieten sich setzen und beträchtliche Mengen an Treibhausgasen freisetzen.

Wie viel Kulturland wird eigentlich benötigt, wenn die Schweizer Gewässer in den nächsten Jahrzehnten wie geplant revitalisiert werden sollen? Interessante Zahlen dazu hat der Kanton Aargau zusammengestellt. So werden für die geplanten Revitalisierungen der Gewässer bis 2035 voraussichtlich 32 Hektaren Fruchtfolgeflächen (ackerfähiges Landwirtschaftsland) benötigt. Pro Jahr sind es 1,5 Hektaren oder 6 Prozent des derzeitigen Bedarfs an Fruchtfolgeflächen. Eine kartographische Auswertung ergab, dass rund 1000 Hektaren aktuelle Fruchtfolgeflächen sich auf ehemaligen Gewässer- und Sumpfflächen befinden. Der für die Gewässerrevitalisierung benötigten Flächenbedarf an Fruchtfolgeflächen beträgt also lediglich etwa drei Prozent der einst trockengelegten Flächen.

Doch der Schutz der Fruchtfolgeflächen ist eine äusserst politische Angelegenheit und wird zunehmend gegen den Schutz der Waldfläche ausgespielt. Der Sachplan «Fruchtfolgeflächen» verpflichtet die Kantone die ihnen zugewiesenen Kontingente zu erhalten. Leider zählen zu den Fruchtfolgeflächen auch Flächen, die für Gewässerrevitalisierungen benötigt würden. Eigentlich hätte diese nicht oder nur unter Vorbehalt den Fruchtfolgeflächen zugeordnet werden dürfen. Nun ist der Streit um diese Flächen voll ausgebrochen. Ein Ende ist nicht absehbar.

Ein aktuelles Beispiel ist die 3. Rhonekorrektion. Deren Landbedarf beträgt 870 Hektaren; im ursprünglichen Projekt wären 380 Hektaren Fruchtfolgeflächen benötigt worden (gemäss Sachplan rund 5 Prozent des Walliser Kontingents). Das Projekt wurde nun optimiert, so dass 70 Hektaren weniger Fruchtfolgeflächen benötigt werden. Dafür wird mehr Wald zum Gewässerraum geschlagen.

Zur Zeit besteht der Wille, das Kulturland und die Fruchtfolgeflächen besser zu schützen. Leider aber ist zu befürchten, dass die Gewässerrevitalisierung – eigentlich politisch beschlossen – einen schweren Stand hat. Inwiefern der relativ strenge, aber keineswegs absolute Schutz der Waldfläche abgeschwächt wird, ist derzeit offen.

In den nächsten Jahren wird der Sachplan «Fruchtfolgeflächen» überarbeitet. Dies dürfte zu einem Testfall in verschiedener Hinsicht werden.

Foto Epsemoos

Artikel zur Sanierung des Hagneckkanals – (.pdf-Dokument)

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