Der Parc Adula ist gescheitert

28. November 2016 – Rund um die Greina und das Rheinwaldhorn hätte der zweite Nationalpark der Schweiz entstehen können. Doch von den 17 Gemeinden befürworteten lediglich neun das Projekt. 13 hätten es sein müssen, damit der Park hätte starten können. Zudem lehnte auch die Tessiner Gemeinde Blenio den neuen Nationalpark ab. Auch wenn alle anderen Gemeinden zugestimmt hätten, wäre dessen Realisierung ohne Blenio, das den grössten Teil an die Kernzone beigesteuert hätte, kaum möglich gewesen.

Obwohl in absoluten Zahlen beide Lager sich ungefähr die Waage halten, ist das Verdikt eindeutig. Die Gemeinden mit hohen Anteilen an der Kernzone rund um die Greina haben abgelehnt. Mit Ausnahme von Trun votierten alle Gemeinden in der Surselva dagegen. In Disentis und Medel/Lucmagn fiel das Resultat knapp aus, in Vrin und Vals mit wuchtigen Nein-Anteilen von 78 bzw. 81 Prozent hingegen sehr deutlich.

Die sehr emotionalen und giftigen Debatten im Vorfeld der Abstimmung erstaunten. Insbesondere die Gegner fuhren mit massivem Geschütz auf und schreckten auch vor Verunglimpfungen der von ihnen abschätzig als Adulaner bezeichneten Parkpromotoren nicht zurück. Um das Projekt zu bodigen, wäre einer der Wortführer nach eigenen Angaben sogar bereit gewesen, einen Pakt mit dem Teufel einzugehen. Der aggressive Ton zeigte, dass hier ganz offensichtlich etwas aufgebrochen war. Nicht dass die Parkpromotoren sowie die kantonalen und eidgenössischen Ämter keine Fehler gemacht hätten, teilweise auch ungeschickt vorgingen. Doch kein Vergleich mit der Aggressivität der Parkgegner. Damit haben diese viel Geschirr zerschlagen. Und am Tag des Triumphs legte man gleich noch eins nach: Die vom Nein-Kommitee verbreitete Meldung ist gegenüber dem Verein Parc Adula höchst unfair. Das müsste eigentlich eine scharfe Replik von verschiedensten Persönlichkeiten, die für Fairness in der politischen Ausmarchung einstehen, nach sich ziehen.

Dass diese Abstimmung nicht einfach werden würde, war klar. Der Parc Adula war das erste Projekt, das die Gründung eines Nationalparks der neuen Generation zum Ziel hatte. Es brauchte sehr viel Energie, bis die Charta stand und mit den beteiligten Kantonen und dem Bund abgestimmt war. Die Zusammenarbeit mit den Bundesämtern für Umwelt und Raumplanung sowie dem VBS ist zudem nicht optimal verlaufen. Im Juni mussten mehrere Regierungsräte der beteiligten Kantone zusammen mit Bundesrätin Leuthard das Schiff notfallmässig wieder auf Kurs bringen. Wahrlich keine guten Voraussetzungen für die letzten Monate vor der Abstimmung.

In einer delikaten Situation befanden sich auch die Naturschutzorganisationen. Zum Teil waren ihre Äusserungen ungeschickt, ihre Einwände zum Teil aber durchaus berechtigt. Es stimmt nachdenklich, wie pauschal in vielen ländlichen Gebieten die Ablehnung dieser Organisationen ist.

Die Skeptiker fürchteten sich vor neuen gesetzlichen Vorschriften in der Umgebungszone. Den kantonalen Ämtern und Bundesbern ist es nicht gelungen, diese Furcht zu zerstreuen und die ursprüngliche Idee der Pärkeverordnung aufzuzeigen. Der Park kommt nun nicht. Ironie der Geschichte könnte sein, dass Kanton und Bund künftig nun allerdings etwas genauer hinschauen und vermehrt kontrollieren, inwiefern die heute gültigen gesetzlichen Bestimmungen – Stichwort Rustici – eingehalten werden.

Wäre der Nationalpark angenommen worden, so hätte dieser einen schwierigen Start gehabt. Zuerst hätten in den zerstrittenen Dörfern nämlich die Risse zwischen den Gegnern und Befürwortern gekittet werden müssen. Und ob die Gegner das Resultat akzeptiert hätten, ist nach dieser Debatte doch eher zu bezweifeln.

Der neue Nationalpark hätte eine interessante Plattform bieten können für eine neue Art der Kooperation zwischen den städtischen Regionen und einer wirtschaftlich schwächeren Region im Berggebiet. Diese Chance ist vertan. Die gesetzlich garantierten Zuschüsse wie etwa die landwirtschaftlichen Direktzahlungen und Sömmerungsbeiträge bleiben erhalten. Doch die Schweiz und die Gebirgskantone steuern auf Sparprogramme zu. Das wird nicht spurlos am Berggebiet vorbeigehen. Somit sind neue Ideen dringend nötig. Nun stehen die Parkgegner in der Pflicht. Sie sollen zeigen, wie sie sich den künftigen Weg vorstellen. Doch bei den Gegnern handelt es sich um ein seltsames Bündnis, deren Exponenten kaum am selben Strick ziehen dürften. Es wird auch schwieriger werden, für Projekte zusätzliche Gelder zu mobilisieren. Ob ein Peter Zumthor nach seinen schmerzlichen Erfahrung in Vals Lust hätte, sich zum Beispiel in Sumvitg zu engagieren, so wie es Leo Tuor nun vorschlägt, ist doch eher fraglich.

Und warum eigentlich sollten wir Unterländer uns weiterhin für einen kantonalen Finanzausgleich und die Regionalpolitik erwärmen? Weshalb für faire Wasserzinsen einstehen? Sollen diese Abgeltungen sich doch flexibel am Markt orientieren – ganz im Sinne des Marktpredigers aus Vals.

Bei einem Ja hätte die Bevölkerung in zehn Jahren die Möglichkeit gehabt, den Parc Adula zu bestätigen oder aber wieder auszusteigen. Stattdessen wird man in zehn Jahren nun auf diese Abstimmung zurückblicken – und vielleicht werden sich manche in der Surselva und im Bleniotal die Frage stellen, ob damals wirklich die gute Entscheidung getroffen wurde.

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