Auf ein neues Jahrzehnt!

Blick vom Platz vor der reformierten Kirche Bülach Richtung Westen.

5. Januar 2020 – Nun ist es also Tatsache geworden.
Mit dem 1. Januar 2020 hat nicht nur ein neues Jahr, sondern auch ein neues Jahrzehnt begonnen. In verschiedenster Hinsicht startet nun ein entscheidendes Jahrzehnt. Da wäre einmal der Klimawandel: Die Staatengemeinschaft hat 2015 in Paris beschlossen, die Klimaerwärmung auf deutlich unter 2 Grad gegenüber dem vorindustriellen Wert zu begrenzen, so wie es eigentlich in der 1992 am sogenannten Erdgipfel in Rio de Janeiro unterzeichneten Klimarahmenkonvention bereits festgelegt wurde. Die Zeit läuft davon. Die Spirale dreht sich, und es wird immer schwieriger, noch wirksam Gegensteuer zu geben.

Auch sonst stehen die Zeichen nicht so gut. Die Spannungen unter Ländern und Blöcken sowie innerhalb von Staaten nehmen in vielen Erdteilen zu. Die Flüchtlingsströme aus dem Süden bleiben hoch, und Europa findet keine überzeugende Antwort, wie damit umzugehen ist.

Wenn ich die letzten fünf Jahrzehnte, die ich selber erlebt habe, überblicke, so ergibt sich ein höchst zwiespältiges Bild.

In den 1970er-Jahre herrschte der kalte Krieg. Das habe ich allerdings nur am Rande mitbekommen, ich war da ja noch ein Kind. Ich kann mich aber noch erinnern, wie die Amerikaner unter Jimmy Carter vergeblich versucht haben, in der US-Botschaft in Teheran festgehaltene Geisseln mit militärischen Mitteln freizubekommen. Die Operation scheiterte. Wenig später verlor Carter die Wiederwahl und Ronald Reagan übernahm die Macht. Ziemlich genau 40 Jahre später droht nun eine neue Eskalation zwischen den USA und dem Iran.

Die 1980er-Jahre waren geprägt von Gegensätzen zwischen Ost-West und Nord-Süd. Sie begannen aber allmählich zu bröckeln. Mit dem Waldsterben, dem Sandoz-Chemieunfall in Schweizerhalle und der Atomkraftwerkkatastrophe in Tschernobyl war es aber auch ein Jahrzehnt, in dem der Umweltschutz ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit Einzug hielt. Am Ende des Jahrzehnts überstrahlte ein Ereignis alles: Der Fall der Mauer in Berlin und der Fall des eisernen Vorhangs. Ich hatte kurz zuvor die Matura gemacht. Es schien, ein neues Zeitalter würde beginnen.

Die 1990er-Jahre waren eine Zeit des Aufbruchs. Dank dem Einlenken von Michail Gorbatschow gelang die deutsche Wiedervereinigung. 1992 fand in Rio de Janeiro die Uno Konferenz über Umwelt und Entwicklung statt, auch bekannt als Erdgipfel. Die Staaten verabschiedeten die Klima- und die Bidoiversitätskonvention. Die Konferenz brachte die zentralen Themen Umweltschutz und Entwicklung zusammen. Das eine geht eben nicht ohne das andere. Der Norden und Süden, die Industrie- und Entwicklungsländer schienen begriffen zu haben, dass sie sich auf einen gemeinsamen Weg begeben und zusammenarbeiten müssen. Hoffnung machte sich breit. Europa formierte sich neu. Doch an den Rändern des Kontinents brodelte es bereits. Die mörderischen Kriege auf dem Balkan hielt wenige Jahre zuvor wohl kaum jemand für möglich.

Dann kam das neue Millennium. Nachdem die digitale Welt das Jahr-2000-Problem überstanden hatte, verdüsterte sich der Horizont. Die Anschläge am 11. September 2001 in New York auf die Twin Towers – in der Erinnerung der US-Amerikaner als 9-11 eingebrannt – veränderten viel. Es folgten Kriege in Irak und Afghanistan und ab 2007 erschütterte die globale Banken-und Finanzkrise die Welt. Die Prioritäten änderten sich. Der Umweltschutz und die Solidarität mit ärmeren Ländern traten in den Hintergrund.

So waren die Vorzeichen für die 2010er-Jahre, also für das nun zu Ende gegangene Jahrzehnt, nicht gerade gut. Positiv könnte man sagen, es hätte wohl auch noch viel schlimmer kommen können. Aber die Welt ist nicht auf gutem Kurs. Es fehlt der Glaube an eine bessere Zukunft. Die Herausforderungen sind riesig. Trotzdem dürfen wir nicht aufgeben und sollten eine bessere und gerechtere Welt als Ziel vor Augen haben. Und es gibt immer wieder auch Überraschungen. Wer hätte beispielsweise vor zwei Jahren daran gedacht, dass so etwas wie die Bewegung der Klimajugend entsteht? Veränderungen sind eben doch möglich. Die Südafrikanische Schriftstellerin Nadine Gordimer sagte: «Ich weigere mich, ohne Hoffnung zu sein.»

 

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